Bewertungen

Von Prof. Dr. Claus Eurich, Philosoph, Publizist, Kontemplationslehrer, Prof. für Kommunikation und Ethik (i.R.): Wissen wird hier profund zusammenfügt und komprimiert, Querverbindungen werden aufzeigt. Das ganze Anliegen mündet in praktische Lebensübungen und zeigt Wege der Ermutigung. Mögen viele Menschen den Wert erkennen, der darin liegt, sich auf einen solchen Prozess einzulassen – zur Heilung von Menschheit und Erde, und nicht zuletzt zur Heilung von sich selbst.

Eine Rezension aus EVOLVE – Magazin für Bewusstsein und Kultur, Nr. 33 (Febr.-April 2022) mit dem Thema: Wir leben zwischen den Zeiten. Menschenliche Qualitäten, die es jetzt braucht.

Von Sabine Rieckhoff: Bereits der Titel verspricht eine längst überfällige Herangehensweise an das große Thema „Klimawandel“. Keine weitere schonungslose Konfrontation, die uns hilflos zurück lässt, sondern eine „Einladung“, den Klimawandel als Chance für unseren eigenen Bewusstseinswandel zu erleben. Und es wurde nicht zuviel versprochen. Das Buch bietet Wege, wie wir uns konkret und zuversichtlich diesen kommenden Herausforderungen stellen können.

Die Autorin begleitet liebevoll durch drei Teile. Nach einer informativen Einleitung wird zunächst ein grundlegendes Vertrauen in das Leben gestärkt, um sich dann in Teil II auf die aktuelle, katastrophale Weltsituation in der Tiefe einlassen zu können. Übungen und Reflexionen, die jedes Kapitel begleiten, machen es möglich, sich diesem schwierigen Thema zu stellen, ohne im Widerstand hängen zu bleiben bzw. hier innerlich auszusteigen. Ein Mut machender dritte Teil bietet im Anschluß viele Wege und Möglichkeiten, die zum Handeln inspirieren und somit Zuversicht verbreiten.

Stefanie Spessart-Evers behält den Blick für das Ganze, schaut hinter die Dinge ohne zu analysieren. Ihre direkte Ansprache überzeugt, dass jeder Einzelne von uns wichtig ist und wirksam sein kann. Und es gibt nicht „die“ Lösung, sondern es wird aus vielen Quellen kluger und weiser Menschen geschöpft. Ein reicher Erfahrungsschatz, der klug zu einer interessanten neuen Ganzheit zusammen gefügt wurde.

Faszinierend ist ihre Liebe zum Leben, die in jeder Zeile sichtbar wird. Das unerschütterliche Vertrauen in die Menschen und ihre Schattenseiten berührt und macht demütig. Eine wahrlich weise Perspektive.

Der Klimawandel betrifft die ganze Menschheit, alles Leben auf diesem Planeten. Niemand ist hier nicht betroffen. Ich habe die Einladung der Autorin sehr gern angenommen und bin überzeugt, dass das Buch gleichzeitig eine Anleitung für eine „Schule des Lebens“ bietet.

Von Dr. Theodor Rathgeber: Dies ist ein etwas anderes Buch über die Klimakrise und ihre Folgen. Denn seit langem wissen wir, dass unser Naturverbrauch die Biosphäre und damit uns selber zerstört – warum geschieht dennoch so wenig? Und ja, es braucht einen „Great Mindshift“, wie es z.B. Maja Göpel fordert! Aber was befähigt uns zu einem solchen Umdenken, und was trägt uns durch diesen Prozess? Damit Menschen sich auf einen inneren Weg machen, braucht es Vertrauen und Hoffnung, nicht Angst. Dabei helfen Ermutigungen und überzeugende Ziele – weniger Verbote oder Verzichtsforderungen. Wie können wir unsere tiefe und existentielle Verbundenheit mit der Großen Natur wieder so ins Gespür bekommen, dass uns ein zerstörerischer Umgang mit ihr unmöglich wird?

Zu einem solchen Wandel unseres Denkens und unserer Werthaltungen einzuladen, aber auch die dazu nötigen, seelischen Ressourcen zu stärken – das ist das Anliegen dieses Buches. Ein Leitmotiv ist dabei die von dem Sozialpsychologen Erich Fromm immer wieder betonte Bedeutung der „Biophilie“, der grundlegenden „Liebe zum Leben und zum Lebendigen“. Der Norweger Arne Naess hat dies schon in den 70er Jahren für den Umweltbereich in seinem Ansatz der Tiefenökologie begonnen zu konkretisieren – einer Naturphilosophie (oder „Ökosophie“), in die sich auch Albert Schweitzers „Ehrfurcht vor dem Leben“ einfügt. Seine Verbreitung verdankt dieser Ansatz dann vor allem der Amerikanerin Joanna Macy, die ihn zu einem sehr berührenden Erfahrungsweg weiterentwickelte. Daraus schöpfen viele der in jedes Kapitel eingeflochtenen Übungen dieses Buches. Wer sich die Zeit und Ruhe nimmt, diese Übungen allein oder (besser, eindringlicher) in kleinen Familien- oder Freundes-Gruppen mit der gebotenen Ruhe zu erproben, wird durch eine bereichernde Vertiefung seines Lebens belohnt und findet in diesem Band eine befähigende Wegbegleitung.

Nach einführenden Abschnitten gliedert der Text sich in drei große Teile, jeder wieder untergliedert in drei (fortlaufend nummerierte) Kapitel. Der erste Teil erinnert uns daran, was wir bereits an großen Potentialen für den Weg besitzen und weiter stärken können. Als solche Quellen der Resilienz führt der Text uns durch die Erlebensfelder der Achtsamkeit (1.), der Dankbarkeit (2.) und der Verbundenheit (3.). 

So mit seelischer „Wegzehrung“ versehen, konfrontiert uns der zweite Teil dann mit den zu bestehenden Herausforderungen der Klimakrise. In knapper Form erinnert uns Kapitel 4 einerseits an die Fakten und Gefahren der Klimakrise. Aber es ermutigt auch dazu (besonders, wenn ein Rückhalt durch eine Gruppe dies unterstützen kann), die mit den bevorstehenden Veränderungen verbundenen schwierigen Gefühle zuzulassen und zu versuchen, sie innerlich anzunehmen. Denn unser Schmerz um die Erde und die Natur entsteht ja aus unserer Liebe und Verbundenheit mit ihr – und nicht zuletzt aus unserer Dankbarkeit, dass sie uns unsere Lebensgrundlage schenkt!

Dies bildet die Grundlage für das eigentliche Anliegen des Buches: Wie kann ein Bewusstseinswandel gelingen, der zu Veränderungen motiviert und was brauchen wir dafür? Das Kapitel 5 ist dafür die Mitte und das Herzstück des Textes: Was brauchen wir wirklich, um authentisch leben zu können? Was sind unsere tiefsten Sehnsüchte für ein erfülltes, wenn auch in Zukunft einfacheres, aber „gutes Leben“? Gemessen an solch tieferen Werten kann sich vermeintlicher Verzicht in möglichen Gewinn an Bewusstheit und Lebensqualität verwandeln. Freilich verlangt der damit einhergehende Abschied von manchen Gewohnheiten auch Bereitschaft und Beständigkeit, um kommende Herausforderungen produktiv wenden zu können. Aber wieder „Licht am Ende des Tunnels“ zu sehen, statt sich ohnmächtig und ausgeliefert zu fühlen, vermittelt auch wieder Energie. Davon handelt das Kapitel 6 über „Verwandlungskraft“.

In den drei Kapiteln des dritten Teils geht es darum, sich „proaktiv statt reaktiv“ auf die Zukunft auszurichten. Deshalb folgen konkrete Hinweise auf Transformationsmodelle, –Projekte und ‑Initiativen. Es geht darum, was bereits existiert oder auf seine Verwirklichung wartet und „was es braucht, um ins Handeln zu kommen“ (S. 196). Denn viele Pfade für solche ersten Schritte sind bereits gebahnt, wie beispielhaft illustriert wird. Mit großer Entschiedenheit plädiert die Verfasserin dafür, dass die nötigen Veränderungen sowohl auf der strukturellen Ebene der Politik wie auch im Verhalten jedes und jeder Einzelnen gefordert sind – wobei der Zivilgesellschaft als „Scharnier“ zwischen beiden Ebenen eine hervorgehobene Rolle zukommt. Dabei weiß sie aus ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als Psychotherapeutin, dass jede Krise zugleich eine Chance bieten kann (wenn man denn bereit ist, sie zu entdecken und sich innerlich darauf auszurichten!) und dass man dazu von der Zukunft statt von der Vergangenheit her denken muss.

Auf jeder Seite merkt man dem Buch die Kenntnisbreite und Lebenserfahrung der Psychologin und Soziologin an. Dabei fließen auch Einsichten aus ihren Langzeit-Wanderungen ein – zum Beispiel, dass entbehrungsreiche Wege ein einfaches Leben und Improvisationen erfordern und gerade dadurch einen erfüllenden Eigenwert bekommen; oder wie sehr die Wiederbegegnung mit der lebendigen Natur beglücken und tief erfüllen kann – und wie schal daneben die verbreiteten Konsumgewohnheiten und digitale Welten wirken, die oft der Selbstbetäubung dienen. Getragen ist der Text von einem ruhigen Duktus, der den Leser, die Leserin wie in einem wertschätzenden Dialog durch die Gedankenfolge geleitet. Dafür findet die Verfasserin eine lebendige, klare Sprache (manchmal angereichert durch Geschichten), die nie lastend wirkt und dennoch in keinem Moment den Ernst der Klima- und Mitweltkrise überspielt.

Ein so umfassender, so tiefgreifender Blick auf die subjektive Seite der anstehenden „Großen Transformation“ ist bislang sehr selten. Im Kern geht es dabei um das, was uns an Beziehungen und Werten wirklich wichtig ist – und damit um unser Innerstes. Es bleibt daher nicht bei einem Aufruf zum „Great Mindshift“, sondern ermutigt zu konkreten, inneren Prozessen dazu. Mit jedem mutigen Schritt der Veränderung aber wächst beim Lesen auch die Hoffnung für den Wandel, die uns wiederum Kraft gibt für unser Engagement. Denn, wie Vaclav Havel sagt: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht!

Von Dr. Diemut Schnetz: Es gibt wohl niemanden, der lesen und hören kann und nicht laufend mit Meldungen zum drohenden Klimawandel konfrontiert wäre. Keine Zeitung, keine Nachrichten, keine Talkrunde, keine Bestsellerliste ohne bedrückende Botschaften. Dabei wird das Vokabular immer dramatischer: „Alarmstufe Rot“,  „Klimanotstand“,  „Es geht ums Überleben“.  Was will und was kann da ein vergleichsweise ruhiges, behutsam nachdenkliches Buch, wie es jetzt von Stefanie Spessart-Evers im Verlag Oekom erschienen ist, erreichen? Wozu noch eine Stimme, noch ein Buch?

Der Unterschied zum öffentlichen Aufschrei ist ein anderer Ansatz des Buches: Nicht die drohende Katastrophe ist Anstoß für den dringenden Wandel, nicht Verlust, Verzicht, Vernichtung, sondern die Aussicht auf Zugewinn: Auf Gewinn an gemeinsamem und persönlichem „gutem Leben“, an Sich-freier-fühlen, an Sich-stimmiger-fühlen, an Sich-wirksam-fühlen. Die Aussicht auf authentische Lebensqualität. 

Dabei werden die erschreckenden Fakten zu den objektiven Bedrohungen durch die Klimakrise nicht ausgeblendet oder beschönigt. Sie werden genau und detailreich benannt. Aber nur als die eine Seite des möglichen Szenarios. Die andere ist die Chance auf Bereicherung durch neue Erfahrungen.

Die Krise als Chance – auch das ist ja nicht neu. Aber hier wird die Chance konkretisiert in vielen Vorschlägen – für neue Sichtweisen, für kleine Übungen, für Entdeckungen. Wer dem folgt, für den ist dieses Buch die Anleitung zu einem Lernweg, der im Kern ein innerer Entwicklungsweg ist.  Und der dann sehr wohl auch handlungswirksam wird und zu aktivem Mitgestalten der notwendigen Transformation führen kann, proaktiv statt resignativ. Auch Modelle dafür werden skizziert.

Damit blickt die Autorin durchaus vielseitig und anspruchsvoll auf das große Thema Klimawandel. Man spürt den lebenslangen Hintergrund als Psychotherapeutin und Soziologin. Die besondere Werthaltung des Textes kommt aus dem Feld der Tiefenökologie, ein naturphilosophischer Ansatz, der die Ehrfurcht vor dem Leben und die Liebe zum Leben im Zentrum hat. 

Das Buch versteht sich als „Einladung“ zum Nachdenken, zum Dazulernen,  zum Selbst-wirksam werden.  Für alle, die ahnen, dass es Zeit ist aufzubrechen, auf den langen Weg der Verwandlungen in Richtung lebenswerte Zukunft. Für die ist dieses Buch ein ermutigender Wegbegleiter.